Unbequeme Themen erst nach der Wahl?

Nach Ausruf des Klimanotstands wurden Stadtratsanträge der Opposition vertagt

26.09.2019 | 07:43 Uhr

Nachdem der Mainzer Stadtrat in seiner Sitzung am Mittwoch den Klimanotstand für Mainz beschlossen hat, wurde auf Initiative von Oberbürgermeister Michael Ebling darüber abgestimmt, ob man die insgesamt fünf Anträge, die noch zur Sitzung eingebracht wurden, auf den nächsten Termin vertagt. Alle samt waren Anträge der Oppositionsparteien. Mit den Stimmen der Ampelkoalition wurde dem zugestimmt. Keiner der Anträge wurde behandelt. Darunter der Antrag der Freien Wähler zum Thema Bürgerentscheid zur Rathaussanierung und der Antrag der CDU zur Schaffung von Wohnraum durch das Aufstocken von Supermärkten. Die nächste Stadtratssitzung, in der über diese Anträge dann entschieden werden soll, findet allerdings erst nach der OB-Wahl statt. Die Opposition übt scharfe Kritik.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) schickt das Stadtparlament in eine 6-wöchige Zwangspause, da der Antrag der Freien Wähler über einen Bürgerentscheid (...) seinen aktuellen Wahlkampf negativ beeinträchtigt. Man hätte klare Position beziehen müssen ob die Bürger in Mainz mitentscheiden dürfen oder weiterhin Bürgerbeteiligung nur dann erwünscht ist, wenn es Ebling und den Genossen passt. Das ist ein unglaublicher Vorgang in Mainz, so Gerhard Wenderoth, der Vorsitzende der Freien Wähler Mainz über Facebook. Die Freien Wähler fordern in Ihrem Antrag, dass die Mainzerinnen und Mainzer über die Sanierung des Rathauses mitbestimmen sollen. Sie kritisieren auch den undurchsichtigen Kostenplan. Nach aktuellen Schätzungen wird die Sanierung ein Loch von mindestens 60 bis 70 Millionen Euro in die Stadtkasse reißen.

Kritik der Experten zum Mainzer Klimakonzept

Vor dem großen Eklat hat der Stadtrat allerdings noch den Klimanotstand ausgerufen. Zuvor wurden zu dem Thema noch mehrere Experten angehört. Dr. Michael Kopatz, vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, sieht bei dem Thema Klimaschutz eine große Doppelmoral. Jeder finde Dinge wie fairen Handel oder weniger Autoverkehr gut, aber keiner würde so handeln. Die Politik müsse hier die Rahmenbedingungen verändern. Der ÖPNV müsse gestärkt werden, genauso wie die Infrastruktur der Radwege. Das lade dazu ein, die Alternativen auch zu nutzen. Seit 10 Jahren komme man beim Thema Klimaschutz nicht voran. Kopatz zeigte sich schockiert, dass die Stadt noch im Stadium der Frage nach dem "ob" festhänge. Er sei davon augegangen, dass Mainz hier schon viel weiter ist.

Die Experten sind sich einig, dass die Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden, auch die Maßnahmen des Masterplans 100% Klimaschutz nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen. Mit sechs Gegenstimmen wurde der Klimanotstand in Mainz jetzt beschlossen. Damit verpflichtet sich die Stadt ab jetzt jede Entscheidung unter Berücksichtigung des Klimaaspekts zu fällen. Rund 60 deutsche Städte haben den Klimanotstand seit Mai 2019 bereits ausgerufen. Darunter auch Konstanz und Heidelberg.

Quelle: ADAC