Was ist der Essenheimer Kreis?

Vertrauliche Gruppierung wirft Fragen auf.

05.11.2019 | 06:30 Uhr

Regelmäßige Zusammenkünfte von einflussreichen Mainzern, über die Stillschweigen bewahrt wird, keine Äußerungen gegenüber der Presse und der Oberbürgermeister im Vorsitz - was hat es mit dem Essenheimer Kreis auf sich? Wir sind dem auf den Grund gegangen.

Viel weiß man nicht über ihn, den sogenannten Essenheimer Kreis. Was wir wissen: Es ist ein Zusammenschluss von Mainzern aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Wir wissen von regelmäßigen Treffen, von Wahlempfehlungen und von angeblichen Geschäften, die unter den Mitgliedern gemacht werden.

Über 100 Personen - ausschließlich Männer - gehören dem Kreis an. Die Treffen der Mitglieder finden in regelmäßigen Abständen statt und gehen wohl auf den ehemaligen Mainzer Oberbürgermeister Jockel Fuchs zurück.

Im Netz ist so gut wie nichts zum Essenheimer Kreis zu finden. Beim Aufruf der gleichnamigen Internet-Seite kommt man ohne Zugangsdaten auch nicht weiter. Dort liest man lediglich: EK Anno 1982.

Was ist der Essenheimer Kreis?

Was wir tatsächlich schwarz auf weiß haben, ist ein Schreiben, das uns von einem Mitglied zugespielt wurde. Darin ist die Rede davon, Michael Ebling vor der Wahl zum Mainzer Oberbürgermeister einen persönlichen Brief zu schreiben, der nicht veröffentlicht wird. Darin heißt es:

"Wir wollen gerne Michael Ebling zeigen, dass er Unterstützer hat (...). Wir brauchen eine starke Persönlichkeit an der Spitze der Stadt und der Verwaltung. Wir, die Unterzeichner stehen für jegliche Unterstützung zur Verfügung! Wenn wir gebraucht werden, sind wir da!"

Unterzeichnet ist das Schreiben von Detlev Höhne (u.a. Aufsichtsratsvorsitzender bei Mainz 05 und ehemaliger Chef der Mainzer Stadtwerke) und Richard Patzke (u.a. ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer für Rheinhessen und ehemaliger Wirtschaftsdezernent der Stadt Mainz).

Auf mehrmalige Nachfrage, in der wir bei einigen Mitgliedern um Aufklärung gebeten haben, auch Höhne und Patzke, gab es keine Reaktion. Ein möglicher, ehemaliger Schatzmeister der Vereinigung, der uns genannt wurde und den wir kontaktiert haben, wollte sich lieber nicht äußern und auch sonst scheint es, als scheue man sich in Mainz offen über diese Gruppe zu sprechen.

Oberbürgermeister hat den Vorsitz

Vorsitzender des Essenheimer Kreises, so lässt es sich aus dem o.g. Schreiben entnehmen, ist der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling. Genau wie auch schon sein Vorgänger Jens Beutel. Das wiederum ergibt sich aus einer Traueranzeige zum Tode Beutels. Hier heißt es:

„Er war viele Jahre lang Präsident unseres Kreises und nahm stets aktiv an unseren Begegnungen teil.“

Unterzeichnet ist die Anzeige mit „Essenheimer Kreis, Richard Patzke, Vizepräsident“. Natürlich haben wir uns mit unseren Fragen bzgl. des Kreises ebenfalls direkt an den Vorsitzenden, Oberbürgermeister Michael Ebling, gewandt. Aus Zeitgründen bat er uns an, die Fragen nach dem Wahlsonntag. bzw. nach dem 11. November zu beantworten.

Auch Vertreter von Mainzer Unternehmen halten sich bedeckt. Nach wochenlanger Recherche, gibt es nur Andeutungen von Betrieben, sie hätten keine Chance auf städtische Aufträge, weil diese eben an die Unternehmer gingen, die das Glück hätten "dazu zu gehören". Und genau das ist die Frage: Wie kommt wer in diesen Inner Circle rein und hat es wirklich Konsequenzen, wenn man nicht dazugehört?

Es bleiben viele Fragezeichen

Wie tief die Verstrickungen untereinander reichen und welche Auswirkungen das auf die wirtschaftliche Struktur, die Finanzen, die Kultur und viele weitere Bereiche der Stadt hat, lässt sich nur vermuten.

Klar ist, es braucht Kontakte, Austausch und funktionierende Strukturen, um Projekte zu verwirklichen und Geschäfte zu machen. Klar ist aber auch, je abhängiger Agierende voneinander sind und je homogener eine Gruppe aus Verantwortlichen wird, umso größer ist die Gefahr, dass Entscheidungen nicht unparteiisch und unabhängig gefällt werden.

Quelle: ADAC