Bleibt die Mainzer Clubszene auf der Strecke?

Die Stadt Frankfurt kümmert sich seit Anfang der Corona-Krise um ihre Clublandschaft. Dafür hat die Stadt 50.000 Euro in die Hand genommen.

06.08.2020 | 10:38 Uhr

Bars, Restaurants und der Einzelhandel durften unter bestimmten Hygienevorschriften seit Mai in Mainz schrittweise wieder öffnen – das gilt aber nicht für unsere Clubs. Die kämpfen weiterhin alle ums Überleben, jeder auf seine eigene Art und Weise. Dabei fühlen sich einige Inhaber von der Stadt nicht genug unterstützt. Und auch die vom Bund ausgeschütteten Coronahilfen sind leider nicht ausreichend, um die monatlichen Fixkosten zu decken. Wir haben bei Mainzer Clubinhabern nachgefragt, wie bei ihnen die aktuelle Lage aussieht, was ihnen auf dem Herzen liegt und wie sie mit der Situation umgehen.

Einige Clubs stehen vor dem Aus

Um uns ein genaueres Bild von der Situation der finanziellen Notlage zu verschaffen, haben wir unter anderem mit Alexander The Great-Inhaber Michael Vogt gesprochen. Er besitzt neben dem ATG auch noch das Good Time und zahlt im Monat rund 16.000 Euro für beide Läden – trotz Schließung. „Das setzt sich aus der Pacht zusammen, aus den Löhnen, aus den Lohnnebenkosten, aus den Versicherungen, aus der GEMA-Gebühr, Strom, Wasser alles Mögliche.“ Zwar hat das Good Time mittlerweile wieder geöffnet, die Kneipe kommt aber geradeso auf null und kann somit keine finanzielle Stütze für den Hardrock-Club sein. Das Geld aus dem Rettungspaket des Bundes sowie sein komplettes Erspartes - rund 30.000 Euro - hat der ATG-Inhaber mittlerweile aufgebraucht. Seiner Meinung nach hätte der Bund mit den Zuschüssen zwar ein „riesen Ding gerissen“, allerdings könne er sich mit dem Geld trotzdem nicht über Wasser halten. Und das Hilfspaket der Stadt Mainz „Mainz hilft sofort – der Kultur“, erklärt der Inhaber, sei eine kleine „Mogelpackung“ gewesen. Hier wird zum Beispiel auf die Vergnügungssteuer während der Schließung verzichtet, doch wer keine Gäste hat, kann logischerweise auch niemanden „vergnügen“.

Auch der Inhaber des Caveau, Wieland Wittmeier, übt Kritik am Vorgehen der Stadt. Außer warmer Worte würde es in Mainz nur Unterstützung in Form von Stundungen der Gewerbesteuer und der Vergnügungssteuer (von vor der Schließung) geben. Er glaubt, dass die Stadt vor allen Dingen denen geholfen habe, die Außengastronomie betreiben können. Das ist bei dem „Kellerclub“-Betreiber aber nicht möglich. Auch bei Wittmeier waren die Mittel vom Bund nach rund zwei Monaten aufgebraucht. Trotz des neu eingeführten Merchandise-Shops und dem Verkauf von Gutscheinen, kann auch er die monatlichen Fixkosten von rund 6.000 Euro nicht mehr stemmen. Deshalb müsse er jetzt einen Kredit aufnehmen, um seine Existenz nicht zu verlieren. Seinem Club gibt er, sofern sich nichts ändert, noch ungefähr bis Silvester, denn weiter verschulden möchte er sich nicht.

Beim Mainzer Kulturclub SchonSchön sind die finanziellen Mittel auch bereits aufgebraucht: „Wir hatten gehofft, die Krise eigenständig und mit Mitteln des Staats und der Banken meistern zu können. Jetzt müssen wir feststellen, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen“, so Norbert Schön, Inhaber des Kulturclubs. Er findet, dass die Clubs mit Livemusik und auch Clubs allgemein in Deutschland viel zu sehr vernachlässigt würden. Das bestätigt auch ein anderer Mainzer Bar- und Clubbesitzer ANTENNE MAINZ gegenüber: „Wir sind in Vergessenheit geraten. Wir sind halt eine kleine Gruppe von Gastronomen, bei der anscheinend niemand Interesse daran hat ihr zu helfen.“ Der Inhaber des Kulturclubs SchonSchön bestätigt, dass einfach noch zu wenig passiert ist: „(...) bisher hat uns außer 1.000 Euro Soforthilfe vom Land Rheinland-Pfalz keine direkte Hilfe erreicht. Das Einzige, was uns erreicht hat, sind Kreditlinien von der KFW, die wir über unsere Bank bekommen haben“, so Schön in einem Interview bei ANTENNE MAINZ Ende Mai. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer vom Bund auf 5 Prozent sei keine Hilfe für die Clubs, weil die nur für Speisen gilt. Damit würde dieses große Hilfspaket die Clubs nicht erreichen.

Diese Clubs hatten Glück im Unglück

Glück im Unglück hatten die Mainzer Clubinhaber*innen, die nicht nur mit ihren Nachtclubs Geld verdienen. Dazu gehört zum Beispiel das Bellini unter der Mombacher Eisenbahnbrücke. Zwar war auch bei Matteo Bellini das Rettungsgeld vom Bund nicht kostendeckend, der Club-Besitzer hat aber das Glück, dass er sowohl eine Club- als auch eine Bargenehmigung hat und dadurch seinen Außenbereich Ende Mai wieder aufmachen konnte. Obwohl er kein Geld für den Eintritt nimmt, kann sich der Club mit den Getränkeumsätzen momentan über Wasser halten. Der Innenbereich des Bellini muss aber, wie auch bei den anderen Mainzer Clubs, weiterhin vorerst geschlossen bleiben. Ähnlich macht es das Imperial in Mainz. Der Außenbereich bietet genug Platz für Foodtrucks, Bierwagen, Weinständen, Chill-Out-Area und DJ. Mit vorheriger Registrierung können hier unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln Gäste empfangen werden. Auch die Dorrettbar in der Zanggasse, die schon mehrere Monate wegen Corona geschlossen ist, hatte „Glück“. Der Club gehört nämlich zum Baron an der Johannes Gutenberg-Unisversität und dem Krokodil in der Neustadt und kann dadurch finanziell unterstützt werden. Beim RedCat hängt das Haddocks in der Mainzer Neustadt noch hinten dran, aus dem Geld in den Club fließen kann.

Welche Hilfen gab es?

Die Stadt Mainz hatte zur Unterstützung der Kulturschaffenden Anfang April das Hilfspaket „Mainz hilft sofort- der Kultur“ vorgestellt. Darin enthalten sind unter anderem die Stundung von Mieten in städtischen und stadtnahen Liegenschaften, die Unterstützung von Mainzer Künstler*innen mit 25.000 €, sowie 150.000 € für Vereine und Initiativen in der freien Kulturszene. Unter die Punkte, die den Clubs helfen sollen, fallen die Stundung der Gewerbesteuerforderungen ohne Festsetzung von Zinsen, die Stundung der Vergnügungssteuerforderungen aus Zeiten vor der Krise und die zinsfreie Stundung von Entsorgungsgebühren. Ein weiteres Projekt, das das Kulturpaket beinhaltet, ist die Veranstaltungsreihe „Kultur verbindet - Zitadelle Live“. Daran beteiligt ist bisher der Kulturclub SchonSchön.

Das Land Rheinland-Pfalz hat 15,5 Millionen Euro für die Kulturszene während der Corona-Krise zur Verfügung gestellt. Für vom Land geförderte Kultureinrichtungen stehen insgesamt 2 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu gehören zum Beispiel sozio-kulturelle Zentren, nicht aber kleine Clubs, die privat betrieben werden. Von diesem Fördergeld konnte aber wenigstens das SchonSchön zehren. Weiter darin enthalten ist ein Stipendienprogramm für Künstler*innen und das Landesprogramm „Schutzschirm Vereine in Not“. Außerdem werden neue Medien in der Kultur gefördert.

Vom Bund gab es ein sehr großes Soforthilfe-Programm, in dem Zuschüsse für Unternehmen enthalten waren, die pro Mitarbeiter*in im Unternehmen berechnet wurden. Mit dem Geld konnten sich die von uns befragten Clubs allerdings nur ein bis zwei Monate über Wasser halten. Außerdem wird die Soforthilfe versteuert.

Es bleibt also das Problem bestehen, dass die monatlichen Fixkosten der Clubbetreiber auch nicht mit den Mitteln von Bund, Land oder Stadt gestemmt werden können.

Wie geht es weiter?

Die Frage, die bei den Gesprächen mit den Clubbesitzern aufkommt, ist, welchen Stellenwert der Nachtkulturszene in Mainz beigemessen wird. Oberbürgermeister Michael Ebling äußerte sich dazu bei der Amtseinsetzung des Nachtkulturbeauftragten vor über einem Monat: „Auch Nachtkultur ist etwas, was seine Berechtigung hat und, was wir in dieser Stadt auch brauchen.“ Trotzdem könne man aber nicht jeden retten, so die Stadt Mainz. Das bestätigt auch der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende: „Ich kann da auch kein Patentrezept aus dem Hut zaubern, wie man der Clubszene da helfen kann. Ich würde das gerne tun. Es gibt halt viele, die jetzt nach Alternativen suchen und Außengastronomie betreiben. Natürlich sind auch denkbar klar abgrenzbare Veranstaltungen im Freien auch mit Band (...) aber das muss dann jeweils ein Hygienekonzept haben, (...) was den Corona-Regelungen des Landes nicht widerspricht.“ Veranstaltungen für Clubbesitzer ins Leben zu rufen, darin liegt in Mainz scheinbar gerade noch die größte Herausforderung. Es müssten Flächen gestellt werden, die den Clubs kleine Veranstaltungen ermöglichen. Das scheint der Stadt Mainz aber bisher noch als unmöglich durch die bestehenden Corona-Auflagen. Bedeutet das, dass man wirklich nichts mehr für die Mainzer Clubs tun kann? Die Antwort darauf gibt uns die hessische Stadt Frankfurt.

Das macht Frankfurt

Die Stadt Frankfurt arbeitet schon seit Längerem daran, die Clublandschaft während der Krise am Leben zu halten. Zusammen mit den Clubbesitzern versucht die Stadt zum Beispiel die Kultursommergärten möglich zu machen. Hier hätten Clubinhaber die Möglichkeit wenigstens kleine Open-Air-Veranstaltungen zu organisieren. Außerdem hat sich die Referentin der Kulturdezernentin direkt am Anfang der Corona-Krise mit den Clubbetreibern in Verbindung gesetzt und diesen zugehört. Es sei auch wichtig, sich die Probleme der Betreiber anzuhören, um diese zu verstehen, so Ina Hartwig, die Frankfurter Kulturdezernentin. Wir haben bei der Frankfurter Kulturdezernentin nachgefragt, welche Bedeutung die Clubszene für die Stadt hat:

“Grundsätzlich sind Clubs einfach sehr wichtig. (...) wichtig, für das Zusammenleben der Gesellschaft, für das Vergnügen, fürs Tanzen, fürs Zusammensein. Aber Clubs sind darüber hinaus auch immer stilprägend gewesen und haben einen subkulturellen Charakter.“

Außerdem hat das Frankfurter Dezernat für Kultur und Wissenschaft den Kulturschaffenden in Frankfurt ermöglicht, an der europaweiten Initiative „United We Stream“ teilzunehmen, eine Streaming-Plattform, die zur Rettung von Clubs und Musikspielstätten gegründet wurde. Es sei sehr wichtig, dass die Clubs sichtbar bleiben, so die Kulturdezernentin. Darüber hinaus hat die Stadt Frankfurt 50.000 Euro für die Unterstützung der Clubs in die Hand genommen.

Von der Stadt Frankfurt können wir uns also noch einiges abschauen, was die Unterstützung der Clubs und somit auch einen großen Teil der Kultur angeht. Denn, wie unsere Ministerpräsidentin, Malu Dreyer, richtig erkannt hat:

„Gerade in einer Krise brauchen wir Kultur: Sie stützt die Demokratie und die Meinungsbildung und bereichert das gesellschaftliche Miteinander. Nur auf dieser Grundlage sichern wir heute eine Gesellschaft, die auch in Zukunft für alle da ist.“

Leider bleibt weiterhin offen, ob Clubs, die sich ausschließlich über Privatpersonen finanzieren, in unserer Stadt überleben werden. Die Krise wird auf jeden Fall ihre Opfer fordern.

So könnt Ihr helfen!

Das ATG könnt Ihr mit einer monatlichen Spende von 5 bis 20 Euro helfen und so Paten des Clubs werden. Die Patenschafts-Aktion findet Ihr hier.

Den Kulturclub SchonSchön könnt Ihr hier unterstützen.

Wer das Caveau unterstützen möchte, der kann das entweder mit dem Kauf von Gutscheinen, Merchandise oder in Form einer Spende hier machen. Außerdem kann sich auch Jede/r an den monatlichen Kosten beteiligen und so Teil des Caveau-Unterstützclubs werden.

Die Dorettbar könnt Ihr mit einer Spende hier unterstützen.

Quelle: ADAC